Originalbescheibung von Ernst Haeckel:
Stamm der Vorkeimpflanzen (Diaphyta oder Archegoniata); – Hauptklasse der Farnpflanzen (Pteridophyta); – Klasse der Laubfarne (Filicinae).
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Zu denjenigen »Kunstformen der Natur«, die in unserem gemäßigten Klima nur eine sehr bescheidene, dagegen in der heißen Tropenzone eine hervorragende Rolle spielen, gehört die formenreiche Hauptklasse der Farne, und unter ihnen besonders die größeren Formen der Laubfarne. Wahrend diese schönen, zartblätterigen »Gefaßkryptogamen« bei uns nur durch kleine oder mittelgroße Kräuter, niemals aber durch aufstrebende baumartige
Formen vertreten sind, leben dagegen in dem feuchten Treibhausklima der Tropen zahlreiche Farnbäume, die an imposantem Wuchs des schlanken Stammes und Schönheit seiner Blätterkrone mit den Palmen wetteifern; die einzelnen Blätter mancher krautartiger stammloser Farne (Angiopteris) erreichen über 4m Länge, während ihre Blattstiele 10 cm dick sind; und zwischen diesen Riesen wuchern eine solche Masse kleinerer und kleinster Farne, daß der dicke grüne Teppich des Urwaldbodens oft überwiegend aus ihnen zusammengesetzt ist. Das gilt namentlich von den ewigfeuchten »Regenwäldern«, die zwischen 1000 und 2000 m Höhe die vulkanischen Gebirge von Insulinde bedecken; hier kann man auf einem kleinen Fleck in kurzer Zeit mehr als hundert verschiedene Farnarten sammeln, zwischen den großen und mittelgroßen Formen auch winzige Zwerge. So sind namentlich die zwerghaften Arten der zarten Schleierfarne (Hymenophylleae) oft kleiner
als die benachbarten Laubmoose. Ein typisches Charakterbild eines solchen tropischen Farnwaldes aus Insulinde gibt unsere Tafel 92, welche am 4. Januar 1901 bei den Wasserfallen von Tjiburrum auf Java nach der Natur gezeichnet wurde. Der enge Talkessel, der hier am Fuße des Pangerango-Vulkans liegt, ist auf zwei Seiten von 130 m hohen, fast senkrecht aufsteigenden Felswänden umschlossen, über die drei prächtige Wasserfälle herabstürzen. Die ganze Luft ist mit Wasserstaub erfüllt und bietet unter den gebrochenen Strahlen der warmen Tropensonne den immer durstigen Filicinen die günstigsten Bedingungen für üppige und reiche Entwicklung. Alle anderen Formen überragen hier die prächtigen Baumfarne aus der Gattung Alsophila. Auf einem schlanken, geraden oder leicht gebogenen Stamme von 12-15m Höhe breitet sich eine prachtvolle Krone aus, zusammengesetzt aus 20-30 riesengroßen Fiederblättern; die jungen, noch nicht entwickelten Blätter stehen in der Mitte der Krone spiralig eingerollt; die alten abgestorbenen Blätter und Blattstiele hängen darunter gleich einem Busche brauner Haare herab (in der Mitte des Bildes). Man pflegt häufig die edlen Palmen als die »Fürsten des Pflanzenreichs«, die Principes plantarum zu bezeichnen; allein die Baumfarne, die ihnen so ähnlich sind, übertreffen sie in mehrfacher Beziehung. Denn während die Fiederblättchen der meisten Palmen einfache lanzettförmige Blätter von starrer, lederartiger Beschaffenheit darstellen, sind die zarten Fiedern der Baumfarne selbst wieder mehrfach gefiedert und in unzählige feinste Blättchen geteilt; und ihr feines hellgrünes Laub ist so zart und durchsichtig, daß es einen Teil der Sonnenstrahlen durchfallen läßt. Der braune oder schwarze Stamm ist oft zierlich getäfelt oder beschuppt. In ganz besonderer Üppigkeit und Fülle gedeiht bei den Wasserfallen von Tjiburrum – und ebenso in dem benachbarten Urwalde von Tjibodas – der merkwürdige Vogelnestfarn (Asplenium nidus, rechts in der Mitte unseres Bildes). Eine regelmäßig abgerundete, oft halbkugelige Krone wird durch einen Schopf von sehr zahlreichen, zungenförmigen Blättern gebildet, die in zierlichem Bogen aufwärts steigen und sich außen herabkrümmen; sie erreichen über 1m, bisweilen sogar 2m Länge. Die Mitte dieses Riesenschopfes bildet einen Trichter, in dem sich das Regenwasser und das abfallende Laubwerk der Bäume ansammelt. In dem reichlichen Humus, der durch dessen Zersetzung gebildet wird, hausen viele Gliedertiere, sowohl Insekten, Spinnen und Tausendfüßer, als auch riesige, hellviolette Regenwürmer von 30cm Länge und 1,5cm Dicke. Unterhalb der Blätterkrone hängt ein Busch von abgestorbenen schwarzbraunen Blättern und vermoderten Blattnerven herab. Diese riesigen grünen »Vogelnester« sitzen zu Tausenden auf den Ästen der Baumstämme oder auf den Lianen, die sich von einem Baum zum anderen schwingen; bisweilen krönt auch ein einzelnes »Vogelnest« das Ende eines abgebrochenen Baumstammes und erweckt den Anschein einer eigentümlichen Form von Baumfarnen (so in unserer Figur). Unter den kleineren Farnkräutern des Urwaldes ist in allen Tropengegenden häufig der zierliche vieröhrige Saumfarn (Pterisquadriaurita, unten rechts); seine Stengel und Blattnerven sind schön rot gefarbt, und oft nehmen auch die grünen Blätter selbst diese Farbe in mannigfachen Tönen und Abstufungen an. Sehr elegant breitet sich die Krone eines mächtigen Angiopteris auf dem Boden aus (unten links). Die Baumstämme sind oft ganz bedeckt mit den herabhängenden Wedeln eines schönen Polypodium, die sich dachziegelartig decken. Endlich wuchern dazwischen am Boden noch eine Menge kleinerer und ganz kleiner Farnkräuter. Manche zarte Hymenophyllum-Arten sind kleiner als die riesengroßen Laubmoose, unter deren Schutze sie sich verbergen. Einern kleinen Grasbüschelchen gleicht das winzige Monogramma; betrachtet man aber die Rückseite seiner feinen fadenförmigen Blättchen, so erblickt man die Reihe der braunen Sporenbehälter, das Zeugnis seiner Filicinennatur.
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